Veranstaltung: Von grünen und grauen Wölfen.

Von grünen und grauen Wölfen. Über das Verhältnis von Nationalismus & Islamismus in der Türkei und die aktuelle Situation.

 „Als wir auf diesen Weg aufgebrochen sind“, so Recep Tayyip Erdoğan unlängst, „haben wir das Leichentuch angelegt“. Dieser Märtyrerkitisch ist die Propaganda, die gefällt – das Sterben als Ehre überlässt Recep Tayyip, bescheiden wie er ist, natürlich den Anderen. „Befehle es und wir töten, befehle es und wir sterben“, so die notorische Unterwerfungsgeste von Erdoğans Brüllvieh und die Drohung an jene, die den Staat missachten. Was nicht heißen muss, dass aus der Türkei mehr Todessüchtige in die syrische Hölle ausreisten als etwa aus Mönchengladbach oder Dinslaken. Die Verherrlichung des Todes und der Rache ist der Eid auf den Staat dieser kollektiven Bestie. Sie fungiert als kollektive Triebunterdrückung und Drohung mit der Enthemmung. Gegner der Muslimbrüder kontern diesen Todeskult mit Rufen wie „Wider den Hass es lebe das Leben“ (Nefrete inat yaşasın hayat) oder – feministisch und zugleich auf kurdisch – „Frau – Leben – Freiheit“ (Jin Jiyan Azadî). Zwischen Lebensbejahung und Todeskult verläuft die Front der türkischen Katastrophe. „Kampf – Jihad – Märtyrertod“ (Cenk – cihat – şehadet), rief Erdoğans Brüllvieh am späten Abend des 16. Aprils, dem Tag der Manipulation in die Legalität der Diktatur. Sie feierten den Tod. In den Wochen vor dem Referendum über die einschneidende Verfassungsänderung schien bei einigen die Resignation durchbrochen zu sein.

Nach eineinhalb Jahren zwangsverordneter Grabesruhe eroberten am 8. März Tausende von Frauen die Istanbuler İstiklâl Caddesi nahe Taksim. Die häufigsten Slogans waren „Frau – Leben – Freiheit“ und „Frauen sagen Nein“. Die Resignation und Desillusionierung sind nach dem 16. April noch nicht ganz wieder einkehrt. Noch am späten Abend des 16. Aprils kamen vor allem junge Menschen in Istanbul, Ankara, Izmir und anderswo auf die Straße. Ihre Rufe erinnern an die rebellischen Tage des Jahres 2013: Boyun eğme, „Beugt euch nicht“. Yeni Şafak, eine der Propagandaschleudern der Muslimbrüder, droht indessen, dass vom Staat die Proteste, die denen um den Gezi Park im Jahr 2013 ähneln, wie der gescheiterte Militärcoup am 15. Juli als Intrige von außen verstanden werden. Mit einer ähnlichen Begründung wurden soeben die ersten Protestierenden der vergangenen Tage in Polizeihaft genommen. Sie sind wahrlich alleingelassen.

Über die Konstellationen der türkischen Katastrophenpolitik, die ideologische Verzahnung von Rasse, Religion und Märtyrerkult sowie die Residuen individueller und kollektiver Widerstände hiergegen spricht Danyal Casar, Autor von Cosmoproletarian Solidarity, Konkret, der Jungle World und Sans Phrase.

27.6.2017 //19:00//UjZ Korn

In Kooperation mit der YXK Hannover.

 

Weitere Veranstaltungen im Rahmen des festival contre le racisme.